Diplomatenflucht

Dass nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei die Lage äußerst gespannt ist, dürfte wohl keinem entgangen sein. So kritisch, wie jetzt bekannt wurde, überrascht es doch schon sehr, dass selbst türkische Diplomaten nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren wollen, da sie rechtliche Konsequenzen fürchten, weil sie nur im Verdacht stehen, mit der Gülen-Bewegung Kontakte zu pflegen.

 

Aber erst einmal alles der Reihe nach. Nach dem misslungenen Putschversuch war schnell ein Drahtzieher gefunden: Fethullah Gülen, seines Zeichens Prediger und Anführer eben genannter Bewegung. Ihm wird vorgeworfen, erbitterter Gegner Erdogans zu sein, obwohl er einst ein enger Verbündeter war. Mit seinem wohltätigen islamischen Verein hat er zwar viele Anhänger, aber aufgrund der Anschuldigungen des Präsidenten auch mittlerweile viele Gegner. Zwar konnte ihm bisher nichts nachgewiesen werden, aber schuldig scheint er aus Sicht von Millionen dennoch zu sein.

 

Was hat das aber mit den Diplomaten zu tun? Sie wurden in die Türkei einberufen, jedoch weigerten sich nicht wenige, dorthin zurückzukehren, eben weil sie die (möglicherweise unberechtigten) Strafen, die ihnen drohen, vermeiden wollen. Sie flüchten und bitten in den Staaten, in denen sie stationiert sind um Asyl. Unter ihnen sind auch hochrangige Militärs, die sich beispielsweise nach Italien oder in die USA absetzten. Dass es nicht nur bei Diplomaten bleiben wird, die flüchten und um Asyl ansuchen, da sie politisch verfolgt werden, ist zwar zu erwarten, aber nicht sicher.

 

Vielleicht ist die aktuelle Flucht türkischer Diplomaten nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Europa vielleicht erwartet. Wenn immer mehr Personen aufgrund einer von der Regierung abweichenden Meinung als Kriminelle behandelt werden, kann damit gerechnet werden, dass demnächst eine zweite Flüchtlingswelle in das europäische Zentrum hereinbrechen wird. Wie damit umgegangen wird, wenn die Menschen kommen, ist ein wahres Rätsel. Entweder man macht die Grenzen dicht und lässt sie unmenschlich in Flüchtlingscamps hausen, oder man lässt auch sie durchreisen, damit dies eben nicht geschieht. Ein drittes Szenario, was das vermutlich schrecklichste wäre ist jenes, dass die europäischen Staaten die Augen verschließen und das Unrecht in der Türkei walten lassen, um den ohnehin schon strittigen Flüchtlingsdeal zumindest aufrecht erhalten zu können. Wünschenswert wäre es nicht.

 

Man darf in der Sache gespannt sein.